Snack'n'Sauf

Es ist wie so oft in Österreich. Wir wursteln dahin, lassen es schleifen - bis dann was passiert. Und dann weinen wieder alle.
Es ist 7 Uhr 15. Vor dem Supermarkt im
Zentrum meiner Heimatstadt drängeln sich bereits
Gymnasialschüler:innen und warten bis die Filialleiterin die Pforten
der Scheibetüren öffnet. Tür offen, schwupp, ein Schwall von
halbwüchsigen Gymnasiasten fluten den Supermarkt innerhalb von
Sekunden. Die beiden Damen hinter der Frischetheke kommen rasch ins
Schwitzen, die Getränkekühlvitrine leert sich rascher als der
Supermarktpraktikant nachfüllen kann.
Gekauft werden vornehmlich Wurst-,
Leberkäs- oder Schnitzelsemmeln. Im Vorbeigehen greift man eventuell
noch eine Tafel Schokolade oder eine Packung Chips ab. Wenn Chips und
Schokolade nicht hier gekauft werden – wozu gibt's es neuerdings
das Automatenkaffee am Kirchenplatz wo derlei Leckereien zu völlig
überteuerten Preisen aus dem Automaten gezogen werden können.
Schade um das schöne Taschengeld, dass sich die Eltern in ihrem Job
erstmal erarbeiten müssen.
Vor den Kassen steht die
Getränkekühlvitrine. Vernünftige greifen zu Col, Cola Light,
Almdudler oder Eistee. Weniger vernünftige Gymnasiasten greifen zu
den vielfach beliebten Alkopops. Das ist völlig überzuckerte
Limonade mit der Beigabe von 4 Centiliter Wodka – also: ein
doppelter Wodka.
Einer der männlichen Schüler will
ganz cool sein und nimmt gleich zwei davon. Schließlich muss ja die
trockene Schnitzelsemmel auch irgendwie runtergespült werden.
Dieses (Trauer-)Spiel dauert rund 20
Minuten. In dieser Zeit sind im Supermakrt alle drei Kassen geöffnet.
Das passiert ansonsten nur unmiitelbar vor Weihnachten und dem
Jahreswechsel. Bezhalt wird mit Bankomatkarte (10 bis 12-Jährige?
Hä? Gehts noch?) oder Mobiltelefon-BezahlApp. Und immer brav die
Ö-karte hinhalten, weils ja dann irgendwann mal auf die Alkopops
Rabatt gibt. Oder man hat eh schon der Mama die Rabattpickerl aus dem
Prospekt gefladert?!
Danach bevölkern Horden von
Gymnasiasten den Schlosspark und verzehren Semmerln und süffeln
Alkopops. Zurück bleibt oft Müll, der nicht unbedingt in den dafür
vorgesehenen Eimern landet sonder auf dem Fußweg oder im Rasen.
Aber: Vergegenwärtigen wir uns. Zwei
Alkopops sin zwei doppelte Wodka - also acht Zentiliter. Und jetzt
Gymnasialschüler mit zwei doppelten Wodka in der Birne in den
Unterricht. Grüß Gott, Frau Kompott. Mehr bleibt bei diesen
Schükern im Kopf nicht mehr über: ein Hirnkompott, da der Alkohol
raschest die Aufmerksamkeitsspanne und die Merkfähigkeit vermindert.
Noch dazu ist Alkohol gerade für Kinder und Jugendliche nicht
gemacht. Denn ich bin aus vielfacher Eigenbeobachtung heraus davon
überzeugt, dass die meisten der Alkopops-Käufer noch keine 16 Jahre
alt - also das gesetzliche Mindestalter, um Alkohol käuflich
erwerben zu dürfen. Aber es kontrolliert ja eh keiner. Und das
wissen die Kinder und Jugendlichen auch nur zu gut. Eine Kassiererin
in besagtem Supermarkt sagt mir, von mir darauf angesprochen: "Das
Mädel hat g'sagt, sie ist eh schon 16." Aha. Wie wäre es mit
einer gesetzlich verpflichtenden Ausweiskontrolle? Hä? Von mir ging
am selben Tag eine Beschwerde an die dafür zuständige Abteilung des
besagten Supermarktes. Die Filialleiterin wurde ausgetauscht.
Aber vielleicht ist es der
Filialleiterin und der Dame an der Kasse ja wurscht, wie alt die
Kinder und Jugendlichen sind, die Alkopops und andere alkoholische
Spezereien kaufen. Vielleicht gibt es ja eine Weisung von
übergeordneten Instanzen gemäß dem Motto "nix fragen, nur
verkaufen". "Pecunia non olet" - "Geld stinkt nicht" - wie
wir als geübte Lateiner ja wissen.
Neben Alkopops sind auch die Artikel in
den Kassenschütten - die befüllten Drahtregale unmittelbar vor dem
Kassenlaufband, in Deutschland nennt man dies Quengelware - extrem
verführerisch und laden herzlich ein, wenn auch kleine Mengen zu in
der Relation ohnehin überteuerten Preisen zu kaufen. Fragt auch
keiner nach dem Ausweis. Oder diese kleinen Fläschchen landen
"unbeabsichtigt" in der Hosentasche. Wie auch immer.
No go: Alkohol für Kinder und Jugendliche
Weinen tun wir - also meist Eltern und
Geschwister - wenn dann wirklich was passiert. Etwa ein Unfall unter
Alkoholeinfluss, eine Gewalttat unter Alkoholeinfluss, eine
Erkrankung aufgrund dauerhaftem Alkoholmissbrauch. Und dann kommt der
Schock. Oftmals auch die Aussage: "Hätte ich das nur g'wußt?!".
Um dies zu vermeiden bedarf es einer
zielgerichteten Prävention, denn Alkohol ist nicht für Körper und
Geist von Kindern und Jugendlichen gemacht. Die Gefahren sind
geistiger, körperlicher und psychosozialer Natur.
Sowohl das Gehirn und der Körper von
Jugendlichen befinden sich zumindest bis zum 21. Lebensjahr in einer
sogenannten "Ausreifungsphase" und zahlreichen Umbau- und
Stabilisierungsprozessen.
Durch übermäßigen Alkoholkonsum
kommt es mehrfach zu einer Beeinträchtigung der Gehirnentwicklung
und damit zur Schrumpfung des Gehirngewebes und zur Störung der
Entwicklung von Nervenzellen und -verbindungen.
Gleichzeitig sinken die Konzentrations-
und Merkfähigkeit. Folge: Ein massiver Leistungsabfall in Schule und
Ausbildung. Fähigkeit, sich zu konzentrieren und Dinge zu merken,
kann abnehmen. Dies kann zu einem massiven Leistungsabfall in Schule
oder Ausbildung führen. Gleichzeitig sinkt das Urteilsvermögen,
aufgrund des Unvermögens, Zusammenhänge richtig einordnen zu
können. Dies könnte dann als mangelnde Intelligenz oder mangelnde
Gesellschaftsfähigkeit bezeichnet werden. Hier bekommt das
Sprichwort "Deppat g'soffn" eine ganz neue Bedeutung. Und
schließlich führt Alkoholmissbrauch dazu, Blödheiten anzustellen,
Idden zu haben, auf die man als nüchterner Mensch gar nicht kommen
würde. Stichwort: Mutproben etwa. Diese erhöhte Risikobereitschaft
verbunden mit einer niedrigeren Hemmschwelle führt zu Risiken, die
man sonst nicht eingehen würde, zu Unfällen, zu
zwischenmenschlichen Konflikten bis hin zur Disco-Schlägerei und
damit zum Konflikt mit dem Gesetz. Und, welcher Jugendliche möchte
schon gerne vor dem Richter stehen, eine Vorstrafe und eine bedingte
oder unbedingte Verurteilung ausfassen.
Und, wenn ein Jugendlicher nach
exzessivem Alkoholmissbrauch ein Blackout hat, ist es Zeit zu
handeln. Alleine dafür, dass aus Trinkereien aus Neugier,
Entdeckungslust und jugendlichem Leichtsinn kein alkoholkranker
Mensch wird.
Mein Körper ist mein Haus – hoffentlich gesund
Das Schlimmste, was ein Komasaufen oder
Vorglühen etwa vor einer Party auslösen kann ist eine
Alkoholvergiftung. Intoxikationen diesen Ausmasses führen zu
lebensbedrohlichen Zuständen wie etwa Unterzuckerung, Dehydrierung
durch den Alkohol, Bewusstlosigkeit, Atemnot, Herzrasen, möglichen
Herzstillstand, Multiorganversagen. Kur gesagt: Alkoholvergiftung
kann zum Tode führen. In Österreich sterben8.000 Menschen jährlich
an Alkoholvergiftung.
Alkohol ist nach neuesten Studien
direkt verantwortlich für zumindest zweihundert (!!! - auf das
Niveau schafft es nicht mal das Rauchen). Beginnend von der Leber,
den Nieren, den Schleimhäuten beginnend von Mund und Rachen (in
Verbindung mit Rauchen kann man sich da gut und gerne Mundhöhlen-,
Rachen- oder Speiseröhrenkrebs "anzüchten) nis zum
Magen-Darmtrakt. Gleichzeitig ist massives Trinken verantwortlich für
Herzerkrankungen wie etwa Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen,
Bluthochdruck, Herzkammerflimmern (vor allem in einer Entzugsphase).
Stark in Mitleidenschaft gezogen wir die Bauchspeicheldrüse. Ist es
im ersten Schritt eine Pankreatitis – eine
Bauchspeicheldrüsenentzündung – kann sich das bei dauerhaftem
Trinken gleich mal in Bauspeicheldrüsenkrebs ausarten. Die
5-Jahres-Prognose bei dieser Krebsart tendiert gegen null; die
Lebenserwartung ab Diagnose liegt meist nur bei einem halben bis zu
einem Jahr.
Apropos Krebs. Massiver Alkoholkonsum
erhöht bei Mädchen und Frauen signifikant die Wahrscheinlichkeit,
an Brustkrebs zu erkranken. Bei Buben und Männern steigt signifikant
das Darmkrebsrisiko - hauptsächlich das Risiko, an Enddarmkrebs zu
erkranken.
Aber bleiben wir positiv. Man muss ja
nicht gleich daran sterben (diesem Gedanken sollte man sich aber
nicht hingeben). Die Liste der Erkrankungen könnte an dieser Stelle
nahezu endlos fortgeführt werden. Jedoch sei bemerkt, dass massiver
Alkoholkonsum auch das Reiz-Leit-System der Nerven schädigt, was zu
einer alkoholbedingten Polyneuropathie führen kann. Daran stirbt man
nicht zwingend, aber kann langsam aber sicher, sofern man den
Alkoholkonsum nicht einstellt, irgendwann nicht mehr gehen, ist auf
Krücken, einen Rollator oder einen Rollstuhl angewiesen. Nur so
viel: Habe ich alles schon mal gesehen.
Und, dass die komplette körperliche
Entwicklung zurück bleibt, wenn man dauerhaft Komasaufen und
Vorglühen betreibt, braucht ja jetzt keine weitere Erläuterung
mehr.
Wollen wir dumme und asoziale Kinder?
Das Risiko, eine Alkohol-Abhängigkeit
zu entwickeln, ist bei Jugendlichen besonders hoch. Dies führt uns
natürlich auch zu den damit einhergehenden psychischen Problemen wie
Depressionen, Angstzuständen, Panikattacken, Schlafstörungen,
Stimmungsschwankungen (möglicherweise ähnlich einer unbehandelten
bipolaren Störung), Halluzinationen, Wahnvorstellungen,
Minderwertigkeits- und Schuldgefühle. Am Ende dieser Kette kann der
Suizid als großes Finale stehen.
Zudem verändert massiver Alkoholkonsum
die Persönlichkeit des jugendlichen Individuums: Unzuverlässigkeit,
Reizbarkeit, Unruhe und übertriebene Eifersucht einer Partnerin oder
einem Partner gegenüber wenn etwa er/sie auf einem Kirtag mal mit
jemand anderem tanzt. Der Prozess der Sozialisierung insgesamt
bekommt Risse, führt zu Problemen in Familie, Schule und
Freundeskreis und mindert oder gar verhindert das Ausleben von Hobbys
und oder sozialen Aktivitäten etwa in Vereinen. Schließlich steigt
durch Alkoholmissbrauch auch vielfach die Aggression und damit die
Gefahr von Gewalt und Missbrauch - auch sexuellem Missbrauch. Wenn
man alkoholisiert ist, kan man beide sein: Täter oder Opfer von
sexuellem Missbrauch – manchmal auch in Verbindung mit K.O.
Tropfen.
Wenn es so weit ist, hat der Alkohol
bereits eine dominante Rolle im Leben des/der Jugendlichen eingenommen. Und
zur Vervollständigung. Vieles von dem obig zitierten Sachverhalten
gilt gleichermaßen auch für Erwachsene. Nur ist deren Körper
bereits "ausgereift".
Sollen wir jubeln?
Erfreulich ist, das laut aktueller
ESPAD Studie (Forschungsbericht 2024) signifikant weniger Jugendliche
Alkohol trinken und Nikotin konsumieren. Dafür greifen sie vermehrt
zu Vapes (oftmals mit illegalen Substanzen aus dem Darknet gemischt -
Achtung: Lebensgefahr).
Nichts sagt die Studie jedoch über das
Trinkverhalten jener Jugendlichen aus, die nach wie vor zu Alkohol
greifen. Denn da sind Vorglühen (in der elterlichen Bauernstube) und
Komasaufen nach wie vor an der Tages- oder Wochenend-Ordnung.
Wichtig
wären Erhöhung des Mindestbezugsalters von 16 auf 18 (bei
Zigaretten ging's ja auch) und vor allem stärkere, massivere
Kontrollen in Supermärkten, Bars, Kaffeehäusern oder an den 24/7
Tankstellen. Und weg mit der Quengelware, also den kleinen
Schnapsflascherln, im Kassenbereich gleich beim Kassenband im
Supermarkt.
Es soll ja schon jugendliche Alkoholiker gegeben
haben, die dann ihren 20. Geburtstag nicht mehr erlebt haben. Weil
tot gesoffen. Und, ja, in Österreich!
Foto: Bernd Klaus Achter
Quellen: Suchtmittelbericht, ESPAD 2024, WHO