Snack'n'Sauf

14.07.2025

Es ist wie so oft in Österreich. Wir wursteln dahin, lassen es schleifen - bis dann was passiert. Und dann weinen wieder alle.

Es ist 7 Uhr 15. Vor dem Supermarkt im Zentrum meiner Heimatstadt drängeln sich bereits Gymnasialschüler:innen und warten bis die Filialleiterin die Pforten der Scheibetüren öffnet. Tür offen, schwupp, ein Schwall von halbwüchsigen Gymnasiasten fluten den Supermarkt innerhalb von Sekunden. Die beiden Damen hinter der Frischetheke kommen rasch ins Schwitzen, die Getränkekühlvitrine leert sich rascher als der Supermarktpraktikant nachfüllen kann.
Gekauft werden vornehmlich Wurst-, Leberkäs- oder Schnitzelsemmeln. Im Vorbeigehen greift man eventuell noch eine Tafel Schokolade oder eine Packung Chips ab. Wenn Chips und Schokolade nicht hier gekauft werden – wozu gibt's es neuerdings das Automatenkaffee am Kirchenplatz wo derlei Leckereien zu völlig überteuerten Preisen aus dem Automaten gezogen werden können. Schade um das schöne Taschengeld, dass sich die Eltern in ihrem Job erstmal erarbeiten müssen.
Vor den Kassen steht die Getränkekühlvitrine. Vernünftige greifen zu Col, Cola Light, Almdudler oder Eistee. Weniger vernünftige Gymnasiasten greifen zu den vielfach beliebten Alkopops. Das ist völlig überzuckerte Limonade mit der Beigabe von 4 Centiliter Wodka – also: ein doppelter Wodka.
Einer der männlichen Schüler will ganz cool sein und nimmt gleich zwei davon. Schließlich muss ja die trockene Schnitzelsemmel auch irgendwie runtergespült werden.
Dieses (Trauer-)Spiel dauert rund 20 Minuten. In dieser Zeit sind im Supermakrt alle drei Kassen geöffnet. Das passiert ansonsten nur unmiitelbar vor Weihnachten und dem Jahreswechsel. Bezhalt wird mit Bankomatkarte (10 bis 12-Jährige? Hä? Gehts noch?) oder Mobiltelefon-BezahlApp. Und immer brav die Ö-karte hinhalten, weils ja dann irgendwann mal auf die Alkopops Rabatt gibt. Oder man hat eh schon der Mama die Rabattpickerl aus dem Prospekt gefladert?!
Danach bevölkern Horden von Gymnasiasten den Schlosspark und verzehren Semmerln und süffeln Alkopops. Zurück bleibt oft Müll, der nicht unbedingt in den dafür vorgesehenen Eimern landet sonder auf dem Fußweg oder im Rasen.
Aber: Vergegenwärtigen wir uns. Zwei Alkopops sin zwei doppelte Wodka - also acht Zentiliter. Und jetzt Gymnasialschüler mit zwei doppelten Wodka in der Birne in den Unterricht. Grüß Gott, Frau Kompott. Mehr bleibt bei diesen Schükern im Kopf nicht mehr über: ein Hirnkompott, da der Alkohol raschest die Aufmerksamkeitsspanne und die Merkfähigkeit vermindert. Noch dazu ist Alkohol gerade für Kinder und Jugendliche nicht gemacht. Denn ich bin aus vielfacher Eigenbeobachtung heraus davon überzeugt, dass die meisten der Alkopops-Käufer noch keine 16 Jahre alt - also das gesetzliche Mindestalter, um Alkohol käuflich erwerben zu dürfen. Aber es kontrolliert ja eh keiner. Und das wissen die Kinder und Jugendlichen auch nur zu gut. Eine Kassiererin in besagtem Supermarkt sagt mir, von mir darauf angesprochen: "Das Mädel hat g'sagt, sie ist eh schon 16." Aha. Wie wäre es mit einer gesetzlich verpflichtenden Ausweiskontrolle? Hä? Von mir ging am selben Tag eine Beschwerde an die dafür zuständige Abteilung des besagten Supermarktes. Die Filialleiterin wurde ausgetauscht.
Aber vielleicht ist es der Filialleiterin und der Dame an der Kasse ja wurscht, wie alt die Kinder und Jugendlichen sind, die Alkopops und andere alkoholische Spezereien kaufen. Vielleicht gibt es ja eine Weisung von übergeordneten Instanzen gemäß dem Motto "nix fragen, nur verkaufen". "Pecunia non olet" - "Geld stinkt nicht" - wie wir als geübte Lateiner ja wissen.
Neben Alkopops sind auch die Artikel in den Kassenschütten - die befüllten Drahtregale unmittelbar vor dem Kassenlaufband, in Deutschland nennt man dies Quengelware - extrem verführerisch und laden herzlich ein, wenn auch kleine Mengen zu in der Relation ohnehin überteuerten Preisen zu kaufen. Fragt auch keiner nach dem Ausweis. Oder diese kleinen Fläschchen landen "unbeabsichtigt" in der Hosentasche. Wie auch immer.

No go: Alkohol für Kinder und Jugendliche

Weinen tun wir - also meist Eltern und Geschwister - wenn dann wirklich was passiert. Etwa ein Unfall unter Alkoholeinfluss, eine Gewalttat unter Alkoholeinfluss, eine Erkrankung aufgrund dauerhaftem Alkoholmissbrauch. Und dann kommt der Schock. Oftmals auch die Aussage: "Hätte ich das nur g'wußt?!".
Um dies zu vermeiden bedarf es einer zielgerichteten Prävention, denn Alkohol ist nicht für Körper und Geist von Kindern und Jugendlichen gemacht. Die Gefahren sind geistiger, körperlicher und psychosozialer Natur.
Sowohl das Gehirn und der Körper von Jugendlichen befinden sich zumindest bis zum 21. Lebensjahr in einer sogenannten "Ausreifungsphase" und zahlreichen Umbau- und Stabilisierungsprozessen.
Durch übermäßigen Alkoholkonsum kommt es mehrfach zu einer Beeinträchtigung der Gehirnentwicklung und damit zur Schrumpfung des Gehirngewebes und zur Störung der Entwicklung von Nervenzellen und -verbindungen.
Gleichzeitig sinken die Konzentrations- und Merkfähigkeit. Folge: Ein massiver Leistungsabfall in Schule und Ausbildung. Fähigkeit, sich zu konzentrieren und Dinge zu merken, kann abnehmen. Dies kann zu einem massiven Leistungsabfall in Schule oder Ausbildung führen. Gleichzeitig sinkt das Urteilsvermögen, aufgrund des Unvermögens, Zusammenhänge richtig einordnen zu können. Dies könnte dann als mangelnde Intelligenz oder mangelnde Gesellschaftsfähigkeit bezeichnet werden. Hier bekommt das Sprichwort "Deppat g'soffn" eine ganz neue Bedeutung. Und schließlich führt Alkoholmissbrauch dazu, Blödheiten anzustellen, Idden zu haben, auf die man als nüchterner Mensch gar nicht kommen würde. Stichwort: Mutproben etwa. Diese erhöhte Risikobereitschaft verbunden mit einer niedrigeren Hemmschwelle führt zu Risiken, die man sonst nicht eingehen würde, zu Unfällen, zu zwischenmenschlichen Konflikten bis hin zur Disco-Schlägerei und damit zum Konflikt mit dem Gesetz. Und, welcher Jugendliche möchte schon gerne vor dem Richter stehen, eine Vorstrafe und eine bedingte oder unbedingte Verurteilung ausfassen.
Und, wenn ein Jugendlicher nach exzessivem Alkoholmissbrauch ein Blackout hat, ist es Zeit zu handeln. Alleine dafür, dass aus Trinkereien aus Neugier, Entdeckungslust und jugendlichem Leichtsinn kein alkoholkranker Mensch wird.

Mein Körper ist mein Haus – hoffentlich gesund

Das Schlimmste, was ein Komasaufen oder Vorglühen etwa vor einer Party auslösen kann ist eine Alkoholvergiftung. Intoxikationen diesen Ausmasses führen zu lebensbedrohlichen Zuständen wie etwa Unterzuckerung, Dehydrierung durch den Alkohol, Bewusstlosigkeit, Atemnot, Herzrasen, möglichen Herzstillstand, Multiorganversagen. Kur gesagt: Alkoholvergiftung kann zum Tode führen. In Österreich sterben8.000 Menschen jährlich an Alkoholvergiftung.
Alkohol ist nach neuesten Studien direkt verantwortlich für zumindest zweihundert (!!! - auf das Niveau schafft es nicht mal das Rauchen). Beginnend von der Leber, den Nieren, den Schleimhäuten beginnend von Mund und Rachen (in Verbindung mit Rauchen kann man sich da gut und gerne Mundhöhlen-, Rachen- oder Speiseröhrenkrebs "anzüchten) nis zum Magen-Darmtrakt. Gleichzeitig ist massives Trinken verantwortlich für Herzerkrankungen wie etwa Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, Herzkammerflimmern (vor allem in einer Entzugsphase). Stark in Mitleidenschaft gezogen wir die Bauchspeicheldrüse. Ist es im ersten Schritt eine Pankreatitis – eine Bauchspeicheldrüsenentzündung – kann sich das bei dauerhaftem Trinken gleich mal in Bauspeicheldrüsenkrebs ausarten. Die 5-Jahres-Prognose bei dieser Krebsart tendiert gegen null; die Lebenserwartung ab Diagnose liegt meist nur bei einem halben bis zu einem Jahr.
Apropos Krebs. Massiver Alkoholkonsum erhöht bei Mädchen und Frauen signifikant die Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu erkranken. Bei Buben und Männern steigt signifikant das Darmkrebsrisiko - hauptsächlich das Risiko, an Enddarmkrebs zu erkranken.
Aber bleiben wir positiv. Man muss ja nicht gleich daran sterben (diesem Gedanken sollte man sich aber nicht hingeben). Die Liste der Erkrankungen könnte an dieser Stelle nahezu endlos fortgeführt werden. Jedoch sei bemerkt, dass massiver Alkoholkonsum auch das Reiz-Leit-System der Nerven schädigt, was zu einer alkoholbedingten Polyneuropathie führen kann. Daran stirbt man nicht zwingend, aber kann langsam aber sicher, sofern man den Alkoholkonsum nicht einstellt, irgendwann nicht mehr gehen, ist auf Krücken, einen Rollator oder einen Rollstuhl angewiesen. Nur so viel: Habe ich alles schon mal gesehen.
Und, dass die komplette körperliche Entwicklung zurück bleibt, wenn man dauerhaft Komasaufen und Vorglühen betreibt, braucht ja jetzt keine weitere Erläuterung mehr.

Wollen wir dumme und asoziale Kinder?

Das Risiko, eine Alkohol-Abhängigkeit zu entwickeln, ist bei Jugendlichen besonders hoch. Dies führt uns natürlich auch zu den damit einhergehenden psychischen Problemen wie Depressionen, Angstzuständen, Panikattacken, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen (möglicherweise ähnlich einer unbehandelten bipolaren Störung), Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Minderwertigkeits- und Schuldgefühle. Am Ende dieser Kette kann der Suizid als großes Finale stehen.
Zudem verändert massiver Alkoholkonsum die Persönlichkeit des jugendlichen Individuums: Unzuverlässigkeit, Reizbarkeit, Unruhe und übertriebene Eifersucht einer Partnerin oder einem Partner gegenüber wenn etwa er/sie auf einem Kirtag mal mit jemand anderem tanzt. Der Prozess der Sozialisierung insgesamt bekommt Risse, führt zu Problemen in Familie, Schule und Freundeskreis und mindert oder gar verhindert das Ausleben von Hobbys und oder sozialen Aktivitäten etwa in Vereinen. Schließlich steigt durch Alkoholmissbrauch auch vielfach die Aggression und damit die Gefahr von Gewalt und Missbrauch - auch sexuellem Missbrauch. Wenn man alkoholisiert ist, kan man beide sein: Täter oder Opfer von sexuellem Missbrauch – manchmal auch in Verbindung mit K.O. Tropfen.
Wenn es so weit ist, hat der Alkohol bereits eine dominante Rolle im Leben des/der Jugendlichen eingenommen. Und zur Vervollständigung. Vieles von dem obig zitierten Sachverhalten gilt gleichermaßen auch für Erwachsene. Nur ist deren Körper bereits "ausgereift".

Sollen wir jubeln?

Erfreulich ist, das laut aktueller ESPAD Studie (Forschungsbericht 2024) signifikant weniger Jugendliche Alkohol trinken und Nikotin konsumieren. Dafür greifen sie vermehrt zu Vapes (oftmals mit illegalen Substanzen aus dem Darknet gemischt - Achtung: Lebensgefahr).
Nichts sagt die Studie jedoch über das Trinkverhalten jener Jugendlichen aus, die nach wie vor zu Alkohol greifen. Denn da sind Vorglühen (in der elterlichen Bauernstube) und Komasaufen nach wie vor an der Tages- oder Wochenend-Ordnung.
Wichtig wären Erhöhung des Mindestbezugsalters von 16 auf 18 (bei Zigaretten ging's ja auch) und vor allem stärkere, massivere Kontrollen in Supermärkten, Bars, Kaffeehäusern oder an den 24/7 Tankstellen. Und weg mit der Quengelware, also den kleinen Schnapsflascherln, im Kassenbereich gleich beim Kassenband im Supermarkt.
Es soll ja schon jugendliche Alkoholiker gegeben haben, die dann ihren 20. Geburtstag nicht mehr erlebt haben. Weil tot gesoffen. Und, ja, in Österreich!


Foto: Bernd Klaus Achter
Quellen: Suchtmittelbericht, ESPAD 2024, WHO


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