Aus der Anstalt Pt.3

Zwei Wochen sind es mittlerweile,
die ich ohne Fernsehen lebe. Was soll ich sagen: Es ist erträglich. WhatsApp, Facebook, Instagram oder
Streaming-Dienste sind meine Fenster zur Aussenwelt. Zudem die
Besuche meiner Liebsten und der Familie.
Morgen ist Silvester und da endet meine
Sperrfrist. Ich darf raus aus der Anstalt - in die Freiheit. Und
zwar von zehn bis 18 Uhr. Meine Liebste wird mich abholen und wir
werden einen schönen Tag verbringenIm Park spazieren, vorbei an
Museen, im Supermakrt Chips und Schokolade kaufen und schön und gut
essen essen gehen, fernab von Anstaltsregeln ind einer her mehr oder
weniger bemühten Küche.
Wohingegen ich das Fernsehen nicht
vermisste, vermisste ich meinen "Bubi" - den Beagle Emil - um so
mehr. Schließlich nicht mehr der Jüngste – beim Einchecken in die
Anstalt war er schließlich schon zwölf und ein dreiviertel Jahr
alt.
Viele Menschen sind in mein Leben
gekommen, manche von Ihnen sind auch wieder gegangen. Bei einigen
muss ich sagen: Gott sei es gedankt. Und: Geht mit Gott, aber geht.
Mein Bubi aber war immer für mich da.
Und er war mir für keinen einzigen Schluck Wodka böse - schließlich habe ich mich immer um ihn gekümmert. Manchmal mehr als
um einige Mitmenschen. Aber als alkoholkranker Mensch hat man es
nicht so mit sozialen Kontakten. Zumindest bis sie kam.
Hunde sind für mich ganz besondere
Lebewesen. Mein Beagle Emil ist aber ein noch besondereres Wesen. Er
urteilt nicht, er wertet nicht, er nimmt mich, wie ich bin.

Aber da waren ja zum Trost die Katzen,
die im Park der Anstalt tagsüber herum stromertem und nachts auf
Decken und Pölstern in den kleinen hölzernen Pavillions im
Anstaltspark schliefen.
Sie wurden Patient:innen und
Reinigungskräften gut versorgt. Wohlgenährt sahen der Praxi, der
Graue und die Schnorri allemal aus. Und es war für alle Lichtblick
und Trost zugleich, die Katzen auch mal zu streicheln.
Der Zwischenfall
Zu einem unschönen Zwischenfall kam es am Tag diesen Tag vor Silvester. Ein Patient wurde von der Plizei abgeführt nachdem er - mit einer nahezu vollen Flasche Wodka in der Hand - am Flur des zweiten Stocks randaliert hatte. Er wurde abgeführt, von der diensthabenden Ärztin sediert, trat aber trotzdem nach den Polizisten und bespuckte sie. Sogar der Kronen Zeitung war das in der Neujahrsausgabe eine Kurzmeldung wert. Und ín den Augen der Volksmeinung war die Anstalt wohl wieder mal der Sündenpfuhl. Eingecheckt hatte dieser Patient übrigens erst am Tag nach den Weihnachtsfeiertagen - an einem Freitag. Fraglich ist/war für mich nur, wie kam er zum Wodka. Raus durfte er nicht, da es für jeden Patienten eine zehntägige Sperrfrist gibt. Also musste er den Wodka bei der Aufnahme mit hinein geschmuggelt haben. Da muss dem Pflegepersonal ordentlich was entgangen sein. Schließlich sind Pflegerinnen und Pfleger dazu angehalten, die Gepäckstücke bei der Aufnahme in die Anstalt zu durchsuchen. Aber irgendwie hat es besagter Patient doch geschafft, den Stoff in die Anstalt zu bringen.
Wo ist derSchwede?
Der Schwede war immer noch nicht aufgetaucht, vermutlich also noch im Krankenhaus, Wann, ob und ob überhaupt er jemals in die Anstalt zurück kommen würde, wurde mir als Zimmerkollegen nicht mitgeteilt - mit dem Verweis, ich sei kein Angehöriger. Ich jedenfalls hatte das Doppelzimmer einige Tage für mich alleine. Leider würde sich dies rasch andern.
Silvester & Neujahr
Am Silvestertag holte mich meine
Liebste von der Anstalt ab. Punkt 10 Uhr verließ ich die Lobby in Richtung Freiheit, die längstens bis 18 Uhr dauern durfte. Wir
verbrachten den Tag mit hervorragendem Essen, tollen Gesprächen. Wie
auch am Neujahrstag. Übernachten durfte ich auswärts noch nicht.
Das musste man sich erst verdienen - mit einer negativen
Alkoholkontrolle und einer negativen Urinprobe. Natürlich gelang
beides.
Aber diese acht Stunden Freiheit waren
etwas ganz Besonderes. Acht Stunden Freiheit, die ahnen lassen, wie
es ist, wieder dauerhaft zuhause zu sein und nicht zu saufen.
Am Silvesterabend gab es in der Anstalt um 22 Uhr
Gulaschsuppe. Nachdem ich ja an den Fähigkeiten dieser Großküche
zweifelte, ließ ich diese aus. Ebenso wie das kollektive
Feuerwerk-Schauen auf der Dachterrasse der Station 31, auf der ich
untergebracht war. Dort, so erzählte man mir am nächsten Tag, gab es Kindersekt und
Bonbons. Eigentlich müsste dem Pflegepersonal klar sein, dass für
einen Trinker selbst Kindersekt – also klebriges Blubberwasser –
als Trigger dienen kann.
Fotos: Bernd Klaus Achter