Aus der Anstalt Pt.3

18.06.2025

Zwei Wochen sind es mittlerweile, die ich ohne Fernsehen lebe. Was soll ich sagen: Es ist erträglich. WhatsApp, Facebook, Instagram oder Streaming-Dienste sind meine Fenster zur Aussenwelt. Zudem die Besuche meiner Liebsten und der Familie.
Morgen ist Silvester und da endet meine Sperrfrist. Ich darf raus aus der Anstalt - in die Freiheit. Und zwar von zehn bis 18 Uhr. Meine Liebste wird mich abholen und wir werden einen schönen Tag verbringenIm Park spazieren, vorbei an Museen, im Supermakrt Chips und Schokolade kaufen und schön und gut essen essen gehen, fernab von Anstaltsregeln ind einer her mehr oder weniger bemühten Küche.

Wohingegen ich das Fernsehen nicht vermisste, vermisste ich meinen "Bubi" - den Beagle Emil - um so mehr. Schließlich nicht mehr der Jüngste – beim Einchecken in die Anstalt war er schließlich schon zwölf und ein dreiviertel Jahr alt.
Viele Menschen sind in mein Leben gekommen, manche von Ihnen sind auch wieder gegangen. Bei einigen muss ich sagen: Gott sei es gedankt. Und: Geht mit Gott, aber geht.
Mein Bubi aber war immer für mich da. Und er war mir für keinen einzigen Schluck Wodka böse - schließlich habe ich mich immer um ihn gekümmert. Manchmal mehr als um einige Mitmenschen. Aber als alkoholkranker Mensch hat man es nicht so mit sozialen Kontakten. Zumindest bis sie kam.
Hunde sind für mich ganz besondere Lebewesen. Mein Beagle Emil ist aber ein noch besondereres Wesen. Er urteilt nicht, er wertet nicht, er nimmt mich, wie ich bin.

Aber da waren ja zum Trost die Katzen, die im Park der Anstalt tagsüber herum stromertem und nachts auf Decken und Pölstern in den kleinen hölzernen Pavillions im Anstaltspark schliefen.
Sie wurden Patient:innen und Reinigungskräften gut versorgt. Wohlgenährt sahen der Praxi, der Graue und die Schnorri allemal aus. Und es war für alle Lichtblick und Trost zugleich, die Katzen auch mal zu streicheln.

Der Zwischenfall

Zu einem unschönen Zwischenfall kam es am Tag diesen Tag vor Silvester. Ein Patient wurde von der Plizei abgeführt nachdem er - mit einer nahezu vollen Flasche Wodka in der Hand - am Flur des zweiten Stocks randaliert hatte. Er wurde abgeführt, von der diensthabenden Ärztin sediert, trat aber trotzdem nach den Polizisten und bespuckte sie. Sogar der Kronen Zeitung war das in der Neujahrsausgabe eine Kurzmeldung wert. Und ín den Augen der Volksmeinung war die Anstalt wohl wieder mal der Sündenpfuhl. Eingecheckt hatte dieser Patient übrigens erst am Tag nach den Weihnachtsfeiertagen - an einem Freitag. Fraglich ist/war für mich nur, wie kam er zum Wodka. Raus durfte er nicht, da es für jeden Patienten eine zehntägige Sperrfrist gibt. Also musste er den Wodka bei der Aufnahme mit hinein geschmuggelt haben. Da muss dem Pflegepersonal ordentlich was entgangen sein. Schließlich sind Pflegerinnen und Pfleger dazu angehalten, die Gepäckstücke bei der Aufnahme in die Anstalt zu durchsuchen. Aber irgendwie hat es besagter Patient doch geschafft, den Stoff in die Anstalt zu bringen.

Wo ist derSchwede?

Der Schwede war immer noch nicht aufgetaucht, vermutlich also noch im Krankenhaus, Wann, ob und ob überhaupt er jemals in die Anstalt zurück kommen würde, wurde mir als Zimmerkollegen nicht mitgeteilt - mit dem Verweis, ich sei kein Angehöriger. Ich jedenfalls hatte das Doppelzimmer einige Tage für mich alleine. Leider würde sich dies rasch andern.

Silvester & Neujahr

Am Silvestertag holte mich meine Liebste von der Anstalt ab. Punkt 10 Uhr verließ ich die Lobby in Richtung Freiheit, die längstens bis 18 Uhr dauern durfte. Wir verbrachten den Tag mit hervorragendem Essen, tollen Gesprächen. Wie auch am Neujahrstag. Übernachten durfte ich auswärts noch nicht. Das musste man sich erst verdienen - mit einer negativen Alkoholkontrolle und einer negativen Urinprobe. Natürlich gelang beides.
Aber diese acht Stunden Freiheit waren etwas ganz Besonderes. Acht Stunden Freiheit, die ahnen lassen, wie es ist, wieder dauerhaft zuhause zu sein und nicht zu saufen.
Am Silvesterabend gab es in der Anstalt um 22 Uhr Gulaschsuppe. Nachdem ich ja an den Fähigkeiten dieser Großküche zweifelte, ließ ich diese aus. Ebenso wie das kollektive Feuerwerk-Schauen auf der Dachterrasse der Station 31, auf der ich untergebracht war. Dort, so erzählte man mir am nächsten Tag, gab es Kindersekt und Bonbons. Eigentlich müsste dem Pflegepersonal klar sein, dass für einen Trinker selbst Kindersekt – also klebriges Blubberwasser – als Trigger dienen kann.

Fotos: Bernd Klaus Achter

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